ASFINAG-Fahrzeug rückwärts mit Blaulicht zur Vignettenkontrolle

Vorankündigung der Autobahnabfahrt 19 auf der A4 nach Bratislawa

(Österreich) Wer beruflich tagtäglich mit seinem Fahrzeug landein, landaus fährt, dem kommt schon einiges vor die Augen. Oftmals schüttelt man den Kopf über das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer und ist kaum verwundert, daß Unfälle das Resultat der Rücksichtslosigkeit sind. Ein ganz besonderer Fall soll hier zur Darstellung gelangen: Die A4 in Österreich ist die internationale Autobahnverbindung, die Fahrzeuglenker, die von Deutschland aus kommen, nach Ungarn und die Slowakei führt. Bei Fahrten in die slowakische Hauptstadt sollte der Fahrzeuglenker die A4 an der Ausfahrt 19 verlassen und seinen Weg auf der Bundesstraße 9 fortsetzen.

Die Abfahrt 19 auf der A4Die Abfahrt 19 auf der A4

In Österreich wurde bekanntlich mit 1. Jänner 2004 die kilometerbezogene LKW-Maut eingeführt (wir berichteten) und gleichzeitig eine Flotte von 32 Fahrzeugen der ASFINAG (Autobahnen- und Schnellstrassen-Finanzierungs-AG) in Dienst gestellt, die, ausgestattet mit Blaulicht und Folgetonhorn, als Einsatzfahrezuge deklariert, Kontrollen über die Entrichtung der Mautgebühr vornehmen. Während der Fahrt werden von diesen Spezialfahrzeugen aus die Daten der Lastkraftwagen im Umfeld per Computer ausgelesen und überprüft, aber auch Anhaltungen für Vignettenkontrollen vorgenommen.

Der Kreuzungsbereich der A4-B9Der Kreuzungsbereich der A4-B9

Am 17.6. fuhr unser Redaktionsleiter auf dem Weg nach Bratislawa die A4, die Autobahnabfahrt 19, entlang und stand gerade um 12.45 Uhr an der Kreuzung A4/B9, als ein Fahrzeug der ASFINAG aus Fahrtrichtung Osten kommend, mitten im Kreuzungsbereich anhielt und der Lenker, von den Bodenmarkierungen abweichend, sein Fahrzeug überraschend wild rangierte. Er drehte im ungeregelten Kreuzungsbereich der Autobahnüberführung (wo die B9 über die A4 führt), auf der gekennzeichneten Vorrangstrasse das Blaulicht auf und fuhr im Rückwärtsgang entgegen der Fahrtrichtung Richtung Autobahnabfahrt. Gleichzeitig kam von der A4 ein Muldenkipper, dahinter ein weiterer Pkw, die ihre Fahrzeuge jäh abbremsen mussten. Der Lenker des ASFINAG-Fahrzeuges fuhr eine Wegstrecke von etwa 70m entgegen der Fahrtrichtung auf der Autobahn und stellte sein Fahrzeug dann in einer Verkehrsmulde ab. Der Zweck dieser „Einsatzfahrt“ war, an dortiger Stelle Kontrollen über die Einhaltung der Vignettenpflicht vorzunehmen.

Die Richtung, die das ASFINAG-Fahrzeug im Rückwärtsgang entgegen der Fahrtrichtung fuhrDie Richtung, die das ASFINAG-Fahrzeug im Rückwärtsgang entgegen der Fahrtrichtung fuhr

Die Stelle wo das ASFINAG-Fahrzeug zu Virgnettenkontrollen Aufstellung bezogDie Stelle wo das ASFINAG-Fahrzeug zu Virgnettenkontrollen Aufstellung bezog

Dies ist ein beliebter Standort, wobei bis zu diesem Zeitpunkt alleinig der Umstand auffällig war, daß dabei ein uniformierter ASFINAG-Mitarbeiter im engen, auslaufenden Kurvenbereich der Autobahnabfahrt an einer unübersichtlichen Straßenstelle mit Kelle in der Hand auf der linken Seite der Fahrbahn Aufstellung nahm.

Die Fläche der Verkehrsmulde an der A4Die Fläche der Verkehrsmulde an der A4

Nachdem unser Mitarbeiter fassungslos den Vorgang beobachtet hatte, suchte er an einer geeigneten Stelle die Möglichkeit, das eigene Fahrzeug abzustellen und die Besatzung bezüglich dieses Vorganges zu befragen. Bekannt ist, daß das Rückwärtsfahren auf Autobahnabschnitten seit 1997 unter besonderen Strafbestimmungen steht, die auch einen Führerscheinentzug beinhalten können. Dies bestätigte uns auch die Juristin, Frau Dr. Christa HAMMER der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung. Nach einem kurzen Fußmarsch traf er um 12.54 Uhr bei dem Sonderfahrzeug ein und konnte in bekannter Manier den uniformierten Beifahrer, der im Außenbereich der Kurve auf der Fahrbahn Aufstellung genommen hatte sehen. Unter Legitimierung als Pressevertreter wurde der Lenker bezüglich seiner ungewöhnlichen Blaulichtfahrt befragt, doch es folgte keine Antwort. Auf die Gegenfrage, ob er dies denn gesehen hätte kam die Bestätigung unter dem Hinweis, dass das eigene Fahrzeug direkt an der Haltelinie der Kreuzung B9 stand. Der Lenker vermied es offensichtlich, dazu Stellung zu beziehen, worauf unsererseits nur noch die Frage nach einer etwaig vorhandenen Dienstnummer gestellt wurde. Ja, Dienstnummer hätte er, aber die Bekanntgabe wurde verweigert.

Der Kurvenverlauf aus der Sicht eines FahrzeuglenkersDer Kurvenverlauf aus der Sicht eines Fahrzeuglenkers

Während sich unser Mitarbeiter auf dem Fussweg zurück zu seinem Fahrzeug befand, fuhr besagtes ASFINAG-Fahrzeug mit dem Wiener Kennzeichen W-26320S um 13.04 Uhr an ihm vorbei und setzte den Weg auf die A4 in Fahrtrichtung Wien fort. Also eine sehr kurze Vignettenkontrolle von knapp einer Viertelstunde Dauer.

Wir haben über diesen Sachverhalt mit dem Verkehrsjuristen Dr. Martin HOFFER des ÖAMTC (Österreichischer Automobil und Touring Club) gesprochen, der von

einem bedenklichen Vorgang“ spricht. Viel deutlicher ist jedoch die Sprache der Juristin Dr. Claudia RICCABONA-ZECHA des Kuratoriums für Verkehrssicherheit mit ihrer Aussage: „Das ist ein Wahnsinn„. Die Juristin erläutert im Zusammenhang mit der Spezifizierung des Fahrzeuges die jeweiligen Bestimmungen des Kraftfahrzeuggesetzes und ergänzt mit den Gesetzestexten der Straßenverkehrsordnung. Zusammenfassend ist bei Verwendung eines Blaulichtes und/oder Folgetonhornes die Begriffsbestimmung für „Gefahr im Verzuge“ ausschlaggebend, wobei dies grundsätzlich nur bei Gefährdung eines Menschen oder der Allgemeinheit (Gefahr für Leben, Gesundheit, Sicherheit, öffentliche Ruhe und Ordnung) gesetzlich zutreffend ist. Grenzen eines Einsatzes gem. § 26 StVO beinhalten, daß Personen keinesfalls gefährdet werden dürfen. Was das Befahren eines Straßenzuges entgegen der Fahrtrichtung betrifft, so ist explizit die gesetzliche Regelung existent, die besagt:

In zwei Fällen ist eine Ausnahme gerechtfertigt a) wenn der Einsatzort nicht anders erreichbar ist, also z.B. die Zufahrt blockiert ist, oder b) wenn der Einsatzort in der gebotenen Zeit nicht erreichbar ist.

Dass der Lenker des ASFINAG-Fahrzeuges das Blaulicht mißbräuchlich verwendet hat, mag ein Kapitel darstellen, das Befahren der Autobahnabfahrt entgegen der Fahrtrichtung im Rückwärtsgang mit einem VW-Transporter war nicht nur eine theoretische Gefährdung, sondern auch eine praktische, da andere Straßenbenützer zum unvermittelten Abbremsen ihrer Fahrzeuge genötigt wurden. Angesichts der Örtlichkeit und des starken Verkehrsaufkommens kann man durchaus von besonders gefährlichen Verhältnissen sprechen.

Wen verwundert es angesichts solcher Wahrnehmungen noch, daß es nur noch wenige Verkehrsteilnehmer kümmert, wenn dann ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Folgetornhorn mit einem wirklichen Notfall einem Menschen zu Hilfe kommen möchte und keiner mehr Platz macht.

Update vom 18.6.2004

Nachricht von der Pressestelle der ASFINAG:

Danke für die Übermittlung der Information. Wir werden bis Montag Nachmittag eine Antwort auf ihre Anfrage fertig gestellt haben. Lassen sie mich trotzdem meine Verwunderung über ihre journalistische Sorgfaltspflicht aussprechen. So ist es in Österreich üblich, den Kritisierten zu einem Vorfall vor Publikation zu befragen.

Mfg.
Mag. Marc Zimmermann
Unternehmenskommunikation

Update vom 21.6.2004

Stellungnahme der ASFINAG

Zunächst möchten wir uns für die Thematisierung unserer Mautkontrollen und auch für das Aufzeigen eines Fehlverhalten unserer Mitarbeiter im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung bedanken; wiewohl wir es begrüßt hätten, wenn wir – als dienstgebende Stelle und disziplinär verantwortliche ASFINAG – vor Veröffentlichung Ihres Artikels vorab die Möglichkeit einer Stellungnahme erhalten hätten.

Die vollständige Aufklärung des von Ihnen dargestellten Sachverhaltes ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber unser derzeitiger Erkenntnisstand spricht für die Richtigkeit Ihrer Angaben. Selbstverständlich werden die betreffenden Mitarbeiter für Ihre Verstöße gegen die STVO sanktioniert. So wird es in einem ersten Schritt eine 14-tägige Versetzung der Beteiligten in einen anderen Tätigkeitsbereich geben. Im Wiederholungsfall wird die Auflösung des Arbeitsverhältnisses folgen. Obwohl es sich bei den mobilen Einheiten unseres Service- und Kontrolldienstes – durch die Ausstattung der Fahrzeuge mit Blaulicht- um bevorzugte Verkehrsteilnehmer handelt, legen wir größten Wert auf die Einhaltung der STVO.

Selbstverständlich ist es absolut unzulässig, Verkehrsteilnehmer durch Missachtung der Regeln der STVO zu gefährden. Eine weitere Folge Ihres Artikels wird es daher sein, dieses Thema noch stärker als bisher in unsere regelmäßigen Schulungen der Mitarbeiter einzubringen.

Mit freundlichen Grüßen
Mag. Marc Zimmermann
Unternehmenskommunikation
ASFINAG

Stellungnahme ASFINAG zur rechtswidrigen "Blaulichtfahrt"Stellungnahme ASFINAG zur rechtswidrigen „Blaulichtfahrt“

Anmerkung der Redaktion zu der Stellungnahme:

Nachdem der geschilderte Sachverhalt nicht auf Hörensagen, sondern auf eigener Wahrnehmung beruhte und in Folge der besagte Lenker auf unser Befragen hin, keine Stellungnahme abgab, weisen wir eine seitens der ASFINAG bezeichnete Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht, zurück.

[seamless-donations]

051806

  1 comment for “ASFINAG-Fahrzeug rückwärts mit Blaulicht zur Vignettenkontrolle

Schreibe einen Kommentar